Zuschauerrekord in der 2. Liga: Der Wert des deutschen Fußballs liegt in der Fankultur

Die Fans der 2. Bundesliga wissen zu überzeugen: hier etwa jene von Holstein Kiel.

In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.

Die 2. Bundesliga hat innerhalb weniger Wochen erneut einen Zuschauerrekord aufgestellt und die Zahlen der 1. Bundesliga am vergangenen Wochenende um 55.000 Stadionbesucher übertroffen. Während in der 1. Liga 250.944 Zuschauer gezählt wurden, waren es in der 2. Liga gigantische 305.846.

Das ist ein Ausrufezeichen und Hinweis auf ein enorm wertvolles Alleinstellungsmerkmal der Fußball- und Fankultur in unserem Land. Die 36 Klubs, die in der Deutschen Fußball Liga (DFL) versammelt sind, bilden eine starke Gemeinschaft. Nirgends sonst kommen so viele Stadionbesucher zu den Spielen des Profifußballs. Zusammengenommen liegt die 1. und 2. Bundesliga damit europaweit auf Platz eins. Deutlich vor den beiden Ligen aus England.

Fanforscher und watson-Kolumnist Harald Lange.

Wenn wir darüber hinaus auch noch das Fan-Engagement und die Stimmung in die Analyse mit einbeziehen, wird schnell deutlich, dass der Bundesligafußball in diesem Parameter beeindruckende Maßstäbe setzt. Der Fußball ist in diesem Land breit aufgestellt und schafft es als Nationalsportart Massen zu binden.

Ich meine, genau an dieser Stelle funkelt das Tafelsilber der DFL: Es ist die Fankultur und die in den Zahlen zu den Stadionbesuchern sichtbar werdende Bindungskraft des Fußballs, die das Spiel in unserem Land so attraktiv und wertvoll macht.

2. Bundesliga auch im europäischen Vergelich weit vorne

Es lohnt sich, die Zahlen genauer anzuschauen und mit denen der anderen Ligen in Europa zu vergleichen. Die 2. Liga spielt europaweit ganz vorn mit. Hinsichtlich der absoluten Zuschauerzahlen rangiert sie in dieser Saison auf Platz fünf und mit Blick auf die prozentuale Auslastung der Stadionkapazität rückt die 2. Liga hinter der Premier League (97,7 Prozent) und der Bundesliga (95,7 Prozent) mit 82,2 Prozent im europäischen Vergleich auf Platz drei vor! Noch vor Spanien (81,1 Prozent), Frankreich (79,2 Prozent) und Italien (77,5 Prozent).

Allein die 2. Liga aus dem fußballbegeisterten England (22.930/ 81,6 Prozent) kann im Konzert der großen Ligen noch vorn mithalten. Alle anderen Fußballnationen sind in dieser Hinsicht weit abgeschlagen.

Auch in der 2. Bundesliga kommen etliche Fans zu den Spielen von Schalke 04.

Die Zahlen belegen: Es ist möglich und richtig, das Produkt Bundesligafußball weltweit ins Rampenlicht stellen und neue Zielgruppen erreichen zu wollen. Wir können getrost davon ausgehen, dass sich Sportfans auf der ganzen Welt für das Land interessieren, in dem die Fußballfans am stärksten gebunden sind und beim Stadionerlebnis live dabei sein wollen. Die in der Bundesliga kultivierte Stimmung, Emotionalität, Teilhabe, Leidenschaft und Begeisterung ist kulturell gewachsen, fest verankert und markiert in ihrer Breite und Tiefe den eigentlichen Wert des deutschen Fußballs.

Zum Vergleich: In Saudi-Arabien passiert seit einigen Jahren genau das, was die Sportmanager in Katar vor 15 Jahren im Vorfeld ihrer Weltmeisterschaft 2022 ebenfalls versucht hatten: Der staatlich organisierte Sport versucht in Saudi-Arabien eine Profiliga zu etablieren.

Mit dem unfassbar vielem Geld aus dem Ölgeschäft kann man zwar die besten Fußballrentner und auch manche Topstars für den Ausklang ihrer Karriere in die Saudi Pro League holen, aber es wird den verantwortlichen Machern der Liga niemals gelingen, so etwas wie Bundesligaatmosphäre und die dazugehörige Zuschauerbindung zu entwickeln.

Saudi-Arabien schafft es nicht, eine nachhaltige Fanszene aufzubauen

Trotz Investitionen in Milliardenhöhe schafft die saudische Liga bislang keine nachhaltigen Werte in ihren Stadien. Manche Partien werden nur von 500 bis 600 Zuschauern besucht. Durchschnittlich finden nur 8.308 Zuschauer den Weg zu den Spielen dieser Liga und die Stadien sind (obwohl sie weniger Kapazität haben als die Bundesligastadien) nur zu 38,7 Prozent ausgelastet.

Ein Fußballboom sieht anders aus. Die starke Bindungskraft des Bundesligafußballs hat aber auch ihren Preis. Hier geht es weniger um die Verdienstmöglichkeiten der Spieler, Manager oder Berater, auch nicht um die Aussicht auf milliardenschwere Investitionen von Private Equity Firmen, sondern um Zugehörigkeit, Bindung und Teilhabe.

Ich meine, der Bundesligafußball ist genau deshalb so anziehend und wertvoll, weil er niemanden gehört und ebenso kritische wie selbstbewusste Fans auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Stadions das Spiel für sich reklamieren.