Ein ganz neuer Name: Warum die Bayern IHN als Tuchel-Nachfolger verpflichten sollten - Ein Kommentar

By Oliver Helbig

Thomas Tuchel wird denFC Bayern München spätestens zum Saisonende verlassen und seit der offiziellen Bekanntgabe ranken sich zahlreiche Gerüchte um die Nachfolge des scheidenden Trainers. Allen voran soll Xabi Alonso der große Wunschkandidat des Rekordmeisters sein. Andere vermeintliche Kandidaten wie Sebastian Hoeneß fallen dahinter ab. Was aber, wenn die Bayern ihre Wunschlösung Alonso nicht an Land ziehen können oder der Leverkusener Trainer noch gar nicht bereit ist für einen so großen Sprung? Die Baustelle FC Bayern ist weitaus größer, als nur einen Trainerstuhl zu besetzen und Alonso fehlt noch die große Erfahrung als Trainer. Hinzu kommt dass der Spanier ein anderes System spielen lässt. Die Erfahrungen sollte er wohl besser erst einmal noch bei der Werkself sammeln. Ich habe hingegen einen anderen Wunschkandidaten für den Trainerposten beim FC Bayern.

In meinem Hinterkopf schwirrt ein ganz anderer Name, der in Europa noch fast komplett unbekannt ist. Der Erfolg spricht aber durchaus für den Brasilianer und vielleicht sollten die Verantwortlichen des deutschen Rekordmeisters bei der Neubesetzung des Trainerstuhls einmal über den Tellerrand hinausblicken und eventuelle Sprachbarrieren vergessen. Letztendlich geht es um den sportlichen Auftritt und den damit verbunden Erfolg. Es geht um die Wiederfindung der Bayern-DNA und des Mia San Mia.

The Brazilian Guardiola

Fernando Diniz wurde am 27. März 1974 geboren und ist seit 2022 Trainer des brasilianischen Traditionsvereins Fluminense Rio de Janeiro. Er war gleichzeitig Interimstrainer der brasilianischen Nationalmannschaft. Als Spieler legte Diniz keine große große Karriere hin, doch als Trainer kennt man ihn mittlerweile in ganz Südamerika. Der Spielstil seiner Mannschaft trägt eine deutliche Handschrift und erinnert in einigen Zügen an den Fußball von Pep Guardiola - und ist doch etwas ganz anderes. Das brachte ihm den Spitznamen "The Brazilian Guardiola" ein. Die Spielweise des 49-jährigen Brasilianers ist geradezu revolutionär und würde dem FC Bayern wahnsinnig gut zu Gesicht stehen. In meinen Augen wäre Diniz der perfekte Fit auf der Bayern-Bank - die Münchner müssten nur über ihren Schatten springen und einem Trainer mit Sprachbarriere eine Chance geben.

Fluminense-Star Andre mit seinem Trainer Fernando Diniz | Wagner Meier/GettyImages

Was spricht für Diniz als den perfekten Bayern-Coach?

Fernando Diniz verfolgt eine für europäische Verhältnisse fast kontrovers wirkende Taktik. Zwar legt der Brasilianer wie seine berühmten und durchaus erfolgreichen europäischen Kollegen wie Pep Guardiola, Xabi Alonso, Roberto de Zerbi, Mikel Arteta oder Xabi Alonso großen Wert auf Ballbesitzfußball und kontrolliertes Spiel von hinten heraus, doch im Gegensatz zu seinen europäischen Kollegen lässt Diniz nicht in einer festen Formation und einem definierten Positionsspiel agieren. Diniz gewährt seinen Spielern große Freiheiten und setzt stattdessen auf natürliche Beziehungen zwischen den Spielern auf dem Platz und wichtig werdende Räume, die es jedem Einzelnen ermöglichen, flexibel auf Spielsituationen zu reagieren. Neben diesen Freiheiten gibt es die klare Vorgabe, kurze Passwege und einfachen Fußball spielen zu lassen. Spielen und laufen. Ein Fußball, der an Einfachheit nicht zu überbieten ist, und doch ist gerade diese Art des Fußballs die schwierigste. Während Diniz auf einen echten Neuner setzt, der im Sturmzentrum agiert, kommt es nicht selten vor, dass beispielsweise der rechte Außenstürmer auf den linken Flügel ausweicht und lieber eine Seite überbrückt, als seinen vorgegebenen Raum zu besetzen. Zudem gewährt Diniz seinen Mittelfeldspielern große Freiheiten im Spielaufbau. Das macht ihn für den Gegner nicht nur schwerer ausrechenbar, sondern ermöglicht es den Spielern auch, eigenständig Entscheidungen zu treffen und dafür Verantwortung zu übernehmen.

Die Freiheit zu zocken

Genau diese Freiheiten scheinen die Bayern-Profis unter Tuchel zu vermissen. "Keiner hat die Freiheit, einfach mal zu zocken", ließ Thomas Müller nach der Niederlage im Spitzenspiel gegen Bayer Leverkusen seinem Frust freien Lauf, und genau diese Freiheit erlaubt Fernando Diniz. Die Freiheiten des Trainers ermöglichen es den Spielern, ihre Stärken den Spielsituationen unterzuordnen und dem Spiel ihren persönlichen Stempel aufzudrücken. Immer im Sinne eines gemeinsamen Ansatzes: Einfach Fußball spielen und bereit sein, Risiken einzugehen. Eine Herangehensweise, die Diniz bis zum Ende durchzuziehen bereit ist. Das zeigte sich zum Beispiel, als Fluminense im Finale der Klub-Weltmeisterschaft gegen Manchester City alles auf eine Karte setzte. Zwar gewann Manchester City deutlich mit 4:0, doch das lag mehr am qualitativen Unterschied der beiden Kader als an der Ausrichtung des Trainers. Fluminense spielte die Citizens teilweise an die Wand und beeindruckte mit einem unglaublich mutigen Aufbau- und Passspiel.

Der Menschenfänger und Familienmensch

Diniz scheint einen sehr guten Draht zu seinen Spielern zu haben. Diese zeigten sich bei großen Erfolgen oft mit ihrem Trainer im Arm. Diniz selbst gilt als Familienmensch und fällt wohl auch in die Rubrik Menschenfänger. Bei Fluminense gelang es Diniz, junge Talente und ehemalige Weltstars mit europäischen Karrieren zu vereinen. Neben der Real-Madrid-Legende Marcelo, dem Ex-Leverkusener Renato Augusto, dem Ex-Bayern-Star Douglas Costa oder Felipe Melo stehen große Talente wie John Kennedy, Marquinhos, Kaua Elias, Alexsander, Andre oder Martinelli im Kader von Fluminense. Diniz hat es geschafft, aus den Altstars und den großen Sternchen am brasilianischen Fußballhimmel eine Einheit zu formen, die gemeinsam an einem Strang zieht und Freude dabei versprüht. Vor dieser Herausforderung stünde er auch beim FC Bayern, wo er die Interessen von gestandenen Spielern wie Müller, Kimmich, Neuer oder Goretzka mit jungen Toptalenten wie Musiala, Tel oder Pavlovic unter einen Hut bringen müsste. All das traue ich Diniz aufgrund seiner Persönlichkeit zu.

Fernando Diniz und Familie | Eurasia Sport Images/GettyImages

Diniz holt große Titel

Der Erfolg gibt Fernando Diniz recht. Mit Fluminense gewann er zuletzt die Copa Libertadores, also die südamerikanische Champions League, sowie die Recopa Sudamericana, zudem gelang es Diniz, den Kader und die Leistungen immer wieder aufs Neue zu stabilisieren. In Brasilien hält man so viel von ihm, dass er neben seiner Tätigkeit als Cheftrainer von Fluminense auch als Interimstrainer der großen brasilianischen Nationalmannschaft eingesetzt wurde. Sein Vertrag bei Fluminense endet Ende 2024.

Der perfekte Bayern-Trainer

Für mich ist Fernando Diniz, überspitzt gesagt, eine Mischung aus Pep Guardiola und Jürgen Klopp. Vielleicht nicht ganz so genial wie die europäischen Star-Trainer, vielleicht aber auch einfach nur brutal unterschätzt, weil in Europa fast unbekannt. Diniz lässt seinen Spielern die Freiheit zu spielen, er ist empathisch und motivierend, er hat eine klare Spielidee, von der er überzeugt ist, dazu hat er eine revolutionäre und erfrischende Spielanlage entwickelt. Er hat ein Gespür dafür, wie man mit gestandenen Stars umgeht und wie man junge Talente erfolgreich in eine Mannschaft integriert. Seine bevorzugte Grundformation ist das 4-2-3-1 samt echtem Neuner, ein System, mit dem der FC Bayern zur Weltmacht wurde, und ein System, auf das der Bayern-Kader zugeschnitten ist. Für mich ist das, was Diniz mitbringt, genau das, was die Bayern bei ihrem neuen Mann auf der Trainerbank suchen. Bis auf die Sprachkenntnisse. Jetzt müssen sie in München nur noch den Mut haben, einen hierzulande unbekannten Namen in die Bundesliga zu holen. Dieses Risiko einzugehen würde sich meiner Meinung nach vollends lohnen. Ich bin mir sicher, dass Fernando Diniz seinen Weg nach Europa machen und für Aufsehen sorgen wird. Wenn es nach mir geht, dann sehr gerne beim FC Bayern und in der Bundesliga.


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