"Vergewaltigungstag": Gefahr durch TikTok-Trend – Experte ordnet ein

Gefährlicher TikTok-Trend?

Das steckt hinter dem "Vergewaltigungstag"

Der "Vergewaltigungstag" erregt Aufsehen bei Jugendlichen und Erwachsenen. (Quelle: IMAGO/xCalilusBricolagex/imago-images-bilder)

Der "Vergewaltigungstag" erregt Aufsehen bei Jugendlichen und Erwachsenen. (Quelle: IMAGO/xCalilusBricolagex/imago-images-bilder)

Auf TikTok und an Schulen gibt es Aufruhr um den "Vergewaltigungstag". Verleitet er Menschen zur Begehung von Straftaten? Ein Experte ordnet ein.

"Passt am 24. April besonders auf euch auf", "Bleibt lieber Zuhause", "Oh nein, heute ist der 24. April" – diese und andere besorgte Beiträge finden sich seit einigen Tagen und insbesondere am heutigen Mittwoch auf TikTok. Und auch Behörden in der Hauptstadt schlugen bereits Alarm: Es gebe einen "verstörenden TikTok-Trend", der als "National Rape Day" (auf Deutsch: Nationaler Vergewaltigungstag) bekannt sei und am 24. April auf die Schulen Auswirkungen haben könnte, schrieb Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU). Ob es sich wirklich um einen Trend handelt, ist unklar. Aber: Es herrscht Aufruhr um das Thema.

Geht von dem "Vergewaltigungstag" wirklich eine Gefahr aus? Und wie wirken die Falschinformationen auf junge Menschen?

Kommunikationswissenschaftler Martin Emmer von der Freien Universität Berlin geht nicht davon aus, dass es am ausgerufenen "Vergewaltigungstag" zwangsläufig mehr sexuelle Übergriffe gibt. Denn: "Medien wirken nicht so, dass Menschen etwas sehen und dann direkt ihr Handeln verändern." Der Experte erklärt im Gespräch mit t-online, dass viele Medien eher indirekt wirkten. "Während der Corona-Pandemie haben viele Menschen die absurdesten Verschwörungstheorien im Internet gepostet und andere haben diese Informationen geteilt, obwohl sie wussten, dass sie falsch sind – aber sie wollten von einer bestimmten Gruppe soziale Anerkennung bekommen."

"Suche nach Anerkennung kann zu Gewalt führen"

Emmer führt aus: "Viele Likes und positives Feedback sind den Menschen oft wichtiger als die Inhalte." Das berge Gefahren: "Hier kann eine Gruppendynamik entstehen. Die Suche nach Anerkennung durch Freunde kann dann zu Gewalt führen."

Eine Wirkungsebene, die auch nicht zu unterschätzen sei, sei die Verbreitung von kulturellen Normen, Themen und Genderstereotypen über Social Media, so der Experte. "Das hat zwar keine unmittelbare Wirkung auf das Handeln von Menschen, aber langfristig hat es Folgen für die Gesellschaft. Dann werden etwa klassische Männlichkeitsstereotype, zum Beispiel körperliche Stärke, weitergetragen und sie prägen sich in vielen Köpfen ein. So werden Menschen manipulierbar. Das kann für die Gesellschaft zum Risiko werden."

"Junge Menschen sind oftmals noch nicht so gefestigt"

Dass besonders Jugendliche anfällig dafür sind, Falschinformationen anzunehmen und Social-Media-Trends zu verbreiten, hat laut dem Kommunikationswissenschaftler einen Grund. "Junge Menschen sind oftmals noch nicht so gefestigt. Sie entwickeln ihre Identitäten und orientieren sich sehr stark an ihrem Umfeld und ihrem Freundeskreis."

Der fragwürdige TikTok-Trend "Vergewaltigungstag" war 2021 zum ersten Mal verbreitet worden. Damals soll eine Gruppe von Männern über die Plattform dazu aufgerufen haben, am 24. April junge Frauen und Mädchen anzufassen und zu belästigen, weil diese Handlungen an diesem Tag angeblich nicht bestraft werden würden. Das Video wurde zwar gelöscht und die Behauptung als Fake News enttarnt, aber das Thema hält sich hartnäckig.

"Aktuell wird diese Falschmeldung erneut vermehrt von TikTok-Nutzern aufgegriffen und findet etwa in Chats Verbreitung an Schulen", schrieb die Berliner Bildungssenatorin und appellierte an die Lehrkräfte, wachsam zu sein.

Katharina Günther-Wünsch (Archivbild): Sie warnt vor dem "Vergewaltigungstag". (Quelle: IMAGO/Sabine Gudath)

Katharina Günther-Wünsch (Archivbild): Sie warnt vor dem "Vergewaltigungstag". (Quelle: IMAGO/Sabine Gudath)

"Ich fühle mich an diesem Tag noch unsicherer"

Auf TikTok zeigten sich deshalb viele Frauen und Mädchen besorgt. "Ich fühle mich an diesem Tag noch unsicherer", heißt es etwa in einem Kommentar zu einem Video, das den "Vergewaltigungstag" thematisiert. Viele Nutzerinnen und Nutzer bemühen sich aber auch, die Verbreitung der falschen Informationen einzudämmen. "Es gibt ein gewisses Level an Verantwortungsgefühl bei vielen Menschen in der Gesellschaft", sagt Emmer. "Die halten dagegen und warnen zum Beispiel vor Fake News und Hate Speech."

Und gibt es eine Möglichkeit, dass es gar nicht erst zur Verbreitung von Falschinformationen kommt? Experte Emmer sagt: "Defensive Maßnahmen kann man leider erst ergreifen, wenn so eine Fake-News-Welle bereits durch eine Plattform schwappt. TikTok gilt noch als halbwegs kooperativ und löscht solche problematischen Inhalte schneller als andere Plattformen. Aber komplett verhindern kann man es dadurch nicht."

Wenn es um Vorbeugung geht, müsse man bei der Medienkompetenz und gesellschaftlichen Kompetenz ansetzen. "Junge Menschen müssen lernen, dass Social Media nicht nur reines Vergnügen ist, sondern die Verbreitung von Falschinformationen auch ernste Konsequenzen nach sich ziehen kann", sagt der Kommunikationswissenschaftler. Deshalb sei es auch wichtig, solche Themen im Schulalltag zu thematisieren.

Verwendete Quellen: