"Wie Liebeskummer": Wenn eine neue Beziehung die Freundschaft zerstört

Plötzliche Stille: Wie fühlt es sich an, wenn eine Freundschaft nach Jahrzehnten zerbricht?

Ella* (48) und ihre beste Freundin waren unzertrennlich – über 40 Jahre hinweg.

Die Kindheitsfreundinnen wuchsen zusammen auf; durchlebten Schwangerschaften miteinander – auf die Weise, von der junge Freundinnen oft träumen, wenn sie sich ihre Zukunft ausmalen; zogen ihre Kinder gemeinsam auf.

Doch dann verliebte sich Ellas beste Freundin neu – und verschwand aus ihrem Leben.

Wenn tiefe Freundschaften ganz plötzlich verblassen, liegt es manchmal an einer neuen Liebe. Denn oft vergessen Menschen in glücklichen Beziehungen ihre anderen Bezugspersonen, weil sie in ihrem Partner oder ihrer Partnerin all das Vertraute vereinen, was sie sonst bei anderen Menschen gesucht haben.

Vereinzelt hält dieser "Ausbruch" aus der vertrauten Freundschaft nur für eine kurze Zeit an, dann pendelt sich die Freundschaft wieder ein.

Bei Ella und ihrer besten Freundin passierte das nicht.

Ella und ihre Freundin waren schon als Kinder unzertrennlich.

Die Freundin trennt sich von ihrem Mann – was alles verändert

Ella lernte ihre beste Freundin kennen, als sie noch nicht mal sprechen konnte. Schon vor der Kindergartenzeit freundeten sie sich an, wohnten im gleichen Haus – und waren lange unzertrennlich: "Ich habe ihre Mutter Mama genannt", sagt Ella.

Die Freundschaft beschreibt sie als entspannt und unaufgeregt: "Wir hatten einfach ein ganz ehrliches Verhältnis zueinander." In ihren Schwangerschaften haben sich die Freundinnen unterstützt, ihre Kinder gemeinsam aufwachsen sehen.

Als sich Ellas beste Freundin von dem Vater ihres Kindes trennte und begann, neue Männern kennenzulernen, war es für Ella völlig in Ordnung, dass sie ihre beste Freundin weniger sah als zuvor. Schließlich liegen – besonders in der Anfangsphase von Beziehungen – die Prioritäten woanders. "Aber über Whatsapp konnte man sich immer auf dem Laufenden halten. Wenn sie einen Freund hatte, habe ich immer versucht, ihn auch zu integrieren und immer mit einzuladen."

Als ihre Freundin dann ihren aktuellen Freund kennenlernte, freute sich Ella zuerst: "Jetzt werden wir zu einer richtigen Familie", dachte sie. Denn: Der neue Freund ist mit dem angeheirateten Teil von Ellas Familie verwandt. Gemeinsame Familienfeiern und Geburtstage hörten sich für Ella nach der perfekten Ergänzung zum ohnehin schon familiären Verhältnis an.

Aber plötzlich wurde es still.

Dabei wohnte der neue Freund nur wenige Gehminuten von Ella entfernt. Und Ella konnte fast aus dem Fenster dabei zusehen, wie ihre beste Freundin jede freie Minute bei ihm verbrachte – selbst, wenn er nicht vor Ort war.

Anfangs versuchte Ella, die plötzliche wohnliche Nähe zu ihrer besten Freundin für ein paar Minuten zu zelebrieren, lud ihre Freundin immer wieder auf einen kurzen Kaffee ein: "Aber sie hatte plötzlich keine Zeit mehr, nicht mal mehr dafür."

Das Einzige, worauf sich Ellas beste Freundin einließ, waren schnelle und flüchtige Treffen auf der Straße. "Wir haben uns praktisch auf der Straße getroffen, dort eine Zigarette geraucht oder kurz gequatscht, die Zeit war nicht mehr da, dass sie mal hochkommt. Von sich aus bot sie es überhaupt nicht mehr an", sagt Ella. "Sie hat sich von allein einfach gar nicht mehr gemeldet."

Die Freundin wohnte plötzlich in der Nähe, doch sie meldete sich nie.

Auf Nachfragen beteuerte sie immer, dass alles gut sei. Ella solle sich keine Sorgen machen, sagte sie immer wieder. Als es Ellas Ehemann ganz plötzlich schlecht ging, brauchte sie ihre beste Freundin. Und wurde im Stich gelassen. Die beste Freundin meldete sie sich kein einziges Mal: "Dann habe ich gesagt, ich warte ab und schaue, was passiert, wenn ich mich nicht melde."

Ihr Fazit: "Dann ist einfach gar nichts mehr passiert."

Über Wochen hörte sie nichts mehr von ihr. Es vergingen Monate. Ellas beste Freundin lebte in ihrer neuen Beziehung, aber ganz ohne Ella, ohne jeglichen Kontakt zu ihrer langjährigen Kindheitsfreundin. Dann trafen sich die einstigen besten Freundinnen plötzlich auf der Straße. Ella lief auf der Straße, ihre Freundin saß im Auto und hob die Hand zur flapsigen Begrüßung – und fuhr einfach weiter.

Für Ella ist diese übergangslose Art der Entfremdung bis heute unbegreiflich.

Ein zufälliges Treffen – und kein einziges Wort

Das nächste Mal trafen sich die Frauen zufällig bei einer Familienfeier. Die Begrüßung fiel auch dort distanziert aus: "Sie war fast schon erschrocken mich zu sehen und am Ende hatten wir kein Wort miteinander gesprochen", erinnert sich Ella.

Seit knapp drei Jahren hat Ella nichts mehr von ihrer ehemaligen Freundin gehört. "Das letzte Mal haben wir im November 2021 miteinander geschrieben."

Sie fühlt sich von ihrer Kindheitsfreundin weggeschmissen, beschreibt den Schmerz wie einen "schlimmen Liebeskummer". Zudem bekam sie nie eine Erklärung. Einen Streit, der das plötzliche Verschwinden ihrer Freundin begründen könnte, gab es nie. Das einzige, was sich geändert hatte, war ihr Beziehungsstatus. Zwischen den Frauen sei zu dieser Zeit nichts vorgefallen.

Ella weiß bis heute nicht, ob der Freund Ella einfach nicht ausstehen kann oder aus irgendeinem Grund nicht möchte, dass die Frauen Zeit miteinander verbringen. "Ich verstehe nicht, warum ich ihr nicht mal eine Erklärung wert bin", sagt Ella.

Meine Freundin bringt zu jedem Treffen ihren Partner mit – was soll ich tun?

Sie habe nie ein schlechtes Wort über ihre Freundin verloren, tut das bis heute nicht: "Ja, es hat ein Loch in mein Leben gerissen, weil die wichtigste Bezugsperson plötzlich weg war und ich den Grund nicht kenne." Auch die Töchter der beiden Frauen haben heute kaum noch Kontakt zueinander, dabei wohnen sie nur wenige Meter voneinander entfernt.

Dennoch hofft Ella, dass sie irgendwann eine Nachricht von ihrem früheren Lieblingsmenschen auf dem Handy aufleuchten sieht: "Jetzt habe ich Zeit für einen Kaffee."

Ella heißt nicht Ella. Der Redaktion ist ihr voller Name bekannt. Sie wollte ihre Geschichte anonym erzählen. Weil sie noch immer hofft, dass ihre Freundin sich meldet.*