EBU in der Kritik: Parteien beklagen Ausschluss von Wahldebatte

Anders Vistisen von der ID-Fraktion will an der Wahldebatte teilnehmen. ©Philippe BUISSIN/ European Union 2023 - Source : EP

Die rechtsextreme Partei Identität und Demokratie (ID) und die regionalistische, autonomistische Europäische Freie Allianz (EFA) werfen der Europäischen Rundfunkunion (EBU) vor, sie vorsätzlich von einer geplanten Debatte vor den Europawahlen ausgeschlossen zu haben.

Am 23. Mai soll die Debatte im Europäischen Parlament in Brüssel stattfinden.

In einem von Euronews eingesehenen Schreiben wurde der ID, der unter anderem die französische Rassemblement National, die italienische Lega und die Alternative für Deutschland angehören, von der EBU mitgeteilt, dass sie bei der Debatte nicht vertreten sein könne, weil sie keinen offiziellen Spitzenkandidaten für die Europawahl aufgestellt habe.

Das Spitzenkandidatenverfahren sieht vor, dass alle großen europäischen Parteien jeweils einen Kandidaten benennen, der sich um das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission bewirbt. In der Vergangenheit wurde das Verfahren jedoch häufig missachtet. Die derzeitige Präsidentin Ursula von der Leyen übernahm beispielsweise das Amt, obwohl sie offiziell nicht kandidierte.

In einem Brief an die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, der auch Euronews vorliegt, behaupten die Ko-Vorsitzenden der ID, die Regeln der EBU seien inkonsistent. Andere Parteien, die mehr als einen Kandidaten aufstellen, was laut ID ebenfalls gegen das Prinzip des Spitzenkandidaten verstößt, seien zu der Debatte eingeladen worden.

Die Partei Renew Europe, die drei Spitzenkandidaten auserkoren hat, wird durch Sandro Gozi vertreten, während die Grünen, die zwei Spitzenkandidaten aufstellen, Terry Reintke in die Fernsehdebatte schicken werden.

Die EBU erklärt, sie habe Einladungen an Parteien aus den sieben Fraktionen des Europäischen Parlaments verschickt und klargestellt, dass die Eurovisionsdebatte ein "Forum für Spitzenkandidaten für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission" im Rahmen des Spitzenkandidatensystems sei.

"Zwei Parteien, die ECR und die ID, lehnten es ab, einen Spitzenkandidaten zu nominieren und haben sich daher für diese besondere Debatte nicht qualifiziert", erklärte die in Genf ansässige Rundfunkunion in einer Stellungnahme, die Euronews vorliegt.

Die ID hat Präsidentin Metsola aufgefordert, die EBU dazu zu bringen, die Entscheidung zurückzunehmen und dem Europaabgeordneten Anders Vistisen von der rechtsextremen Dänischen Volkspartei die Teilnahme im Namen der Fraktion zu ermöglichen.

Die EBU-Debatte ist eine von drei Wahldebatten, die im Vorfeld der Abstimmung im Juni stattfinden. Vistisen vertrat die ID-Fraktion bereits bei der Maastricht-Debatte im April, während Maylis Roßberg im Namen der EFA teilnahm.

Auch die EFA beschwert sich über Ausschluss

Die Europäische Freie Allianz (EFA), in der die regionalistischen und autonomistischen Parteien Europas vertreten sind, veröffentlichte am Dienstag eine Erklärung, in der sie behauptet, sie sei vorsätzlich von der Debatte ausgeschlossen worden.

Die Partei sitzt zusammen mit den Grünen als Teil der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament. Nach den Regeln der EBU kann nur ein Kandidat aus jeder der sieben Fraktionen des Parlaments an der Debatte teilnehmen, in diesem Fall Terry Reintke von den Grünen.

"In Abstimmung mit dem Europäischen Parlament hat die EBU die politischen Parteien im Europäischen Parlament aufgefordert, einen Spitzenkandidaten aus jeder der sieben offiziell vertretenen Fraktionen zu nominieren", teilte die EBU Euronews in einer Erklärung mit.

"Die Parteien innerhalb dieser Fraktionen trafen die Auswahl des Spitzenkandidaten. Für die Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz wurde als Spitzenkandidat Terry Reintke von der Partei der Europäischen Grünen vorgeschlagen", heißt es weiter.

Die EFA hat zwei Spitzenkandidaten für die Wahl im Juni nominiert, den 23-jährigen Roßberg aus der dänisch-deutschen Grenzregion und den katalanischen Separatisten Raül Romeva, einen ehemaligen Europaabgeordneten, der 2019 wegen Volksverhetzung zu einer 12-jährigen Haftstrafe verurteilt wurde, ehe ihn 2021 der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez begnadigte.

In ihrer Erklärung behauptet die EFA, dass der Sprecher des Parlaments, Jaume Duch, die Partei im Januar gebeten habe, eine verantwortliche Kontaktperson für Gespräche mit der EBU zu benennen, und dass ein Auftakttreffen stattgefunden habe, dann aber keine weitere Mitteilung eingegangen sei.

Weiter heißt es, dass die Regeln, die die Redner auf einen Spitzenkandidaten pro Fraktion beschränken, der EFA am 30. April 2024 mitgeteilt wurden. Die Partei prangert die EBU für ihren "Mangel an Kommunikation und Transparenz" an.

"Wir möchten unsere tiefe Enttäuschung und Unzufriedenheit mit dieser Entscheidung zum Ausdruck bringen. Die europäische Demokratie hat mehr verdient. Indem die EBU die Tür zu unserer Teilnahme verschließt, bringt sie nicht nur die Stimmen kleinerer Parteien zum Schweigen, sondern untergräbt auch die Grundsätze von Demokratie und Inklusivität", so die Partei.

Die EBU gibt an, dass ihre Regeln allen Parteien klar gemacht worden seien, und dass sie sich auf eine "erfolgreiche und sinnvolle politische Debatte in einer für die europäische Politik entscheidenden Zeit" freue.

Sowohl die ID-Fraktion als auch die EFA fordern die EBU auf, ihre Entscheidung zu korrigieren.

Noch mehr Öl ins Feuer

Die EBU steht derzeit ohnehin unter Druck. Erst einen Tag vor den Anschuldigungen der ID und EFA hatte die Europäische Kommission die Rundfunkunion für die Entscheidung kritisiert, beim Eurovision Song Contest EU-Flaggen zu verbieten.

Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas richtete am Montag ein Schreiben an die Rundfunkanstalt, in dem er sie aufforderte, die Gründe für das Verbot zu erläutern und "die Verantwortung dort zu übernehmen, wo es angebracht ist".

Die EBU begründete ihre Entscheidung mit den "erhöhten geopolitischen Spannungen" im Zusammenhang mit dem Song Contest, bei dem pro-palästinensische Demonstrierende gegen die Teilnahme Israels wegen der laufenden Offensive im Gazastreifen protestierten.

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