EM-Nominierung als Schnitzeljagd: Der DFB macht endlich etwas richtig

Julian Nagelsmann (l.) hat unter anderem Chris Führich (r.) ins deutsche EM-Aufgebot berufen.

In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.

Beim Bäcker, Dachdecker oder im Dönerladen. Der DFB macht aus der Nominierung des Kaders für die EM 2024 einen PR-Klamauk. In einer Mischung aus Adventskalender und Schnitzeljagd werden die Namen der Auserwählten nach und nach an die Öffentlichkeit gebracht.

Das Portfolio derjenigen, die die Nominierten ans Licht der Öffentlichkeit bringen, ist erfrischend heterogen. Neben den bodenständigen Handwerksbetrieben aus der Provinz oder dem Dönerladen aus Berlin wird das Verkünden auch von der ARD über die "Tagesschau", von Frauke Ludowig auf NTV, dem Musiker Peter Schilling ("Major Tom") oder Günther Jauch bei "Wer wird Millionär?" übernommen.

Fanforscher Harald Lange blickt für watson regelmäßig auf Themen, die die Fußballfans bewegen.

Auf diese Weise soll dann bis zum Donnerstagmittag der Kader offiziell und PR-wirksam geleakt sein, bevor er schließlich auf einer Pressekonferenz von Bundestrainer Julian Nagelsmann in Berlin formal bestätigt wird.

Große Unterhaltung sorgt auch für eine höhere DFB-Fallhöhe

Ein schöner Spaß, denn der Unterhaltungswert des jeweiligen Settings, in dem Antonio Rüdiger, Leroy Sané und die anderen der Öffentlichkeit als Turnierspieler bekannt gegeben werden, ist gewiss höher als alles, was die breite Öffentlichkeit in fachlicher Hinsicht an dieser Mannschaft interessieren würde.

Nach der Jahre dauernden sportlichen Flaute und konzeptionellen Rat- sowie Orientierungslosigkeit haben die beiden letzten Länderspiele gegen Frankreich und die Niederlande ausgereicht, um Zuversicht zu streuen. Die Fußballnation wünscht sich ein Fest für den Sommer und ist bereit, die neuen Gesichter der Nationalelf auch in einem abgewandelten Adventskalender oder in anderen Überraschungseiern zur Kenntnis zu nehmen.

Die Fans sind auch müde, sich über den DFB-typischen PR-Klamauk zu empören, genießen diesen Spaß stattdessen als Zeitvertreib. Vollends in der Hoffnung, dass diese heitere Herangehensweise auch im Eröffnungsspiel am 14. Juni gegen Schottland fortgesetzt wird.

Sollte das gelingen, dann ist alles gut. Im Falle einer Niederlage wäre die Fallhöhe allerdings höher als sonst. Zu tief sind die Narben, die während der überzogenen Kommerzialisierung beim DFB in der Bierhoff-Ära entstanden sind.

Deshalb hoffen wir mal, dass sich Trainerteam und Mannschaft nach wie vor auf den Sport, die Vorbereitung, den Konkurrenzkampf und den Mut konzentrieren, den es braucht, um bei der Heim-EM bestehen und überzeugen zu können.

DFB-Nominierungen als Schnitzeljagd gefällt nicht allen

Die Nominierung des Kaders ist aus sportlicher Sicht betrachtet der Abschluss eines harten Konkurrenzkampfes unter all denen, die sich durch Leistungen im Verein einen Platz im Team erkämpfen wollten. Das ist zweifelsohne ernsthafter als die PR-Experten des DFB glauben mögen.

Diejenigen, die es diesmal nicht schaffen, obwohl sie hart gearbeitet und in den Klubs gut gespielt haben, mögen wegen des Klamauks im Nominierungstheater sauer sein. Deshalb gefällt es mir, dass Thomas Müller seine vermeintliche Nominierung über Social Media selbst ins Spiel gebracht hat.

Meldung

Und die Satire-Plattform "Der Postillon" verkündete zunächst die Nominierung von Mats Hummels und danach sogar die des Norwegers Erling Haaland. Dieser Leak wurde zuvor durch das Berliner Tantra-Studio "Hugs&Rubs" auf deren Instagram-Kanal verkündet. In diesem Zusammenhang wird der Bundestrainer folgendermaßen zitiert: "Den Haaland brauchen wir. Der wird jetzt einfach mal nominiert, vielleicht sagt er am Ende wirklich zu. Versuchen kann man es ja mal!"

Ich meine: Satire und der DFB passen ausgezeichnet zusammen.