Unruhen in Neukaledonien: Frankreich wirft Aserbaidschan Einmischung vor

Französische Gendarmen patrouillieren auf den Straßen von Noumea (Neukaledonien),16. Mai 2024. ©AP Photo

Vor dem Hintergrund anhaltender gewaltsamer Proteste in Neukaledonien hat der französische Innenminister Gérald Darmanin Aserbaidschan vorgeworfen sich in dem französischen Überseegebiet einzumischen, nachdem mehrere Unabhängigkeitsführer Aserbaidschan besucht haben. Die Regierung in Baku wies die Vorwürfe zurück.

In einem Interview mit einem französischen Fernsehsender erklärte Darmanin, dass es „keine Fantasie, sondern Realität“ sei, dass bestimmte Unabhängigkeitsführer in Neukaledonien „einen Deal“ mit Aserbaidschan gemacht hätten.

Der Minister betonte, dass die französische Regierung es anderen nicht erlaube, sich in die inneren Angelegenheiten Frankreichs einzumischen.

„Auch wenn es Einmischungsversuche gibt, ist Frankreich auf seinem eigenen Territorium souverän“, sagte Darmanin.

Aserbaidschanische Diplomaten wiesen Darmanins Aussagen als „unbegründet“ und „Verleumdungskampagne“ zurück.

„Wir streiten jede Verbindung zwischen den Führern des kaledonischen Befreiungskampfes und Aserbaidschan ab“, betonten sie.

Aserbaidschan wirft Frankreich koloniale Vergangenheit vor

Die Beziehungen zwischen Frankreich und Aserbaidschan sind seit einiger Zeit schwierig. Frankreich ist die Heimat einer großen armenischen Diaspora und hat eine harte Haltung gegenüber Aserbaidschan eingenommen, als es 2023 versuchte, die Kontrolle über die umstrittene Region Berg-Karabach zurückzugewinnen. Damals flohen mehrere tausend Armenier.

Die Position Frankreichs zu diesem Konflikt wurde in der Erklärung erwähnt, die das aserbaidschanische Außenministerium nach Darmanins Äußerungen herausgab.

„Wir verurteilen erneut aufs Schärfste die beleidigenden Äußerungen der französischen Seite gegenüber Aserbaidschan und fordern, dass die Diffamierungskampagne gegen Aserbaidschan mit inakzeptablen Anschuldigungen wie dem Massaker an Armeniern eingestellt wird“, heißt es in der Erklärung.

„Es wäre angemessener, wenn der französische Innenminister an die Geschichte seines Landes erinnert, das im Rahmen seiner jahrelangen Kolonialpolitik Verbrechen gegen die Menschlichkeit an der lokalen Bevölkerung begangen und Millionen unschuldiger Menschen brutal ermordet hat.“

Darüber hinaus sollte sich der französische Innenminister, anstatt Aserbaidschan der angeblichen Unterstützung der Unabhängigkeitsproteste in Neukaledonien vorzuwerfen, auf die gescheiterte Politik seines Landes gegenüber Überseegebieten konzentrieren, die zu diesen Protesten geführt hat.

Zahl der Toten auf sechs gestiegen

Die Zahl der auf dem französischen Überseeterritorium Neukaledonien getöteten Personen ist am Samstag auf sechs gestiegen.

Französische Sicherheitskräfte meldeten einen weiteren Todesfall bei den bewaffneten Zusammenstößen.

Die Person sei bei einem Schusswechsel auf einer der vielen spontanen Barrikaden, die Straßen auf der Insel blockierten, getötet worden, teilte ein Angehöriger der Sicherheitsorgane mit.

Zwei weitere Menschen wurden bei dem Feuergefecht an einer Blockade im Norden der Hauptinsel bei Kaala-Gomen verletzt.

Paris hat rund 1.000 Sicherheitskräfte entsandt, um die Unruhen zu unterdrücken, die am Dienstag begonnen hatten, nachdem die französische Regierung eine Wahlrechtsreform bekanntgegeben hatte.

Unruhen auf NeukaledonienKevin S. Vineys/AP

So sollen künftig Einwohner, die seit zehn Jahren auf dem Archipel leben an Provinzwahlen teilnehmen dürfen. Befürworter der Unabhängigkeit argumentieren, dass diese Änderung die Kanak-Gemeinschaft, die rund 40 % der Bevölkerung ausmacht, noch weiter an den Rand drängen wird.

Nächtliche Ausgangssperre

Hochkommissar Louis Le Franc kündigte am Freitag strenge Maßnahmen im Rahmen des Ausnahmezustands an, der mindestens elf Tage lang in Kraft sein wird. Es gilt eine Ausgangssperre von 18.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Zum Schutz von Häfen und Flughäfen sowie zur Unterstützung der Polizeitruppen werden die Streitkräfte eingesetzt.

„Ausnahmen von dieser Ausgangssperre umfassen im wesentlichen den öffentlichen Dienst, dringende medizinische Reisen und wesentliche nächtliche Aktivitäten“, sagte Le Franc.

Verstöße gegen die Ausgangssperre werden mit einer Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten und einer Geldstrafe geahndet, fügte der französische Diplomat hinzu, der mit der Verwaltung des Territoriums beauftragt ist.

Le Franc kündigte an, dass man sich auf die Wiedererlangung der Kontrolle über Gebiete der Hauptstadt Nouméa konzentrieren werde.

Seit Jahrzehnten bestehen Spannungen zwischen den Kanaken – Neukaledoniens Ureinwohner, die die Unabhängigkeit Neukaledoniens anstreben, und den Nachkommen der Siedler, die wollen, dass die Insel weiterhin zu Frankreich gehört.

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