Kriselnde Münchner - starke Konkurrenz: Braucht Deutschland die Bayern-Stars überhaupt?

By Dominik Hager

Während andere Bundesligisten aufblühen und zahlreiche DFB-Spieler in den internationalen Finals vertreten sind, haben die Bayern ihre schlechteste Saison seit vielen Jahren abgeliefert. Selbst zu erfolgreichen Münchner Zeiten, als viele Bayern-Stars das Gesicht der Nationalmannschaft gebildet haben, lief es für das DFB-Team nicht rund. Demnach stellt sich wenige Wochen vor der Heim-EM die Frage: Braucht die Nationalmannschaft überhaupt noch Bayern-Profis oder sind längst andere Spieler leistungstechnisch vorbeigezogen?

Wir werfen einen Blick auf den DFB-Kader und sehen uns an, wie viel Bayern München die Nationalmannschaft überhaupt verträgt.

1. Manuel Neuer

Matthias Hangst/GettyImages

Es gibt im DFB-Kader aktuell kaum eine rätselhaftere Erscheinung als Manuel Neuer. Der Kapitän ist dieser Tage äußerst fehleranfällig. Dies könnte man gewiss mit seinem Alter von inzwischen 38 Jahren erklären. Das Kuriosum aktuell ist jedoch, dass Neuer nicht die Fehler eines Seniors, sondern vielmehr die eines Juniors macht.

Weder die Fehler gegen Hoffenheim noch den Patzer gegen Real Madrid kann man grundsätzlich mit dem Alterungsprozess des Keepers in Verbindung bringen. Ähnlich sah es im Übrigen bei der WM in Katar aus. Die Gegentore kassierte Neuer nicht, weil - wie man meinen könnte - die Reflexe langsamer werden. Vielmehr unterliefen dem Routinier klassische Anfängerfehler. Auf der anderen Seite war alleine in den vergangenen Wochen mehrmals zu sehen, wie Neuer auf spektakuläre Art und Weise retten kann. Die Doppelparade gegen Vinicius Junior und Rodrygo war vielleicht die sensationellste Tat in dieser Champions-League-Saison.

Doch was bedeutet das für die EM? Grundsätzlich hat Neuer nachwievor alle Voraussetzungen dafür, eine grandiose Europameisterschaft zu spielen. Bei der Fehleranzahl zuletzt liegt aber der Schluss nahe, dass es sich bei den Aussetzern nicht nur um Zufälle handelte.

Zwar war auch Marc-André ter Stegen in den letzten Wochen nicht fehlerfrei unterwegs, jedoch gehört der Barça-Schlussmann in der Gesamtbetrachtung durchaus zu den besten Torhütern in Europa.

Demnach könnte man den Schluss rechtfertigen, dass Deutschland den Bayern-Keeper nicht braucht und dieser eher ein kleines Sicherheitsrisiko darstellt. Mit ter Stegen im Kasten wäre es einem vielleicht sogar ein wenig wohler, selbst wenn ein Abgesang auf Neuer zu früh käme.

2. Joshua Kimmich

Stefan Matzke - sampics/GettyImages

Die Personalie Joshua Kimmich ist ähnlich schwer zu bewerten. Der 29-Jährige rückte sowohl im Verein als auch in der Nationalmannschaft aus dem Mittelfeldzentrum auf die Rechtsverteidiger-Position. Dabei benötigte er ein paar Spiele Anlauf, fand sich dann allerdings gut zurecht. Bezeichnend dafür, nahm er Gabriel Martinelli in den Duellen gegen Arsenal zweimal fast gänzlich aus dem Spiel. Real-Star Vinicius Junior ließ Kimmich dafür aber ordentlich Karussell fahren. Der Brasilianer zeigte dem Münchner die Grenzen auf, was wieder Zweifel an seiner Eignung als Rechtsverteidiger aufkommen ließ. Im letzten Saisonspiel in Hoffenheim machte Kimmich dann nochmal eine unglückliche Figur.

Klar ist allerdings auch, dass das DFB-Team keinen Weltklasse-Rechtsverteidiger besitzt. Sein einziger Konkurrent, Benjamin Henrichs, hat in der Rückrunde nicht ganz an seine gute Hinrunde anschließen können. Der Leipziger ist natürlich athletischer als Kimmich, in Summe aber eher die etwas schwächere Wahl. Zwar wäre Henrichs auch kein großes Downgrade, jedoch ist Kimmich in Summe schon einer der Bayern-Spieler, auf die Nagelsmann setzen sollte.

3. Aleksandar Pavlovic

Stefan Matzke - sampics/GettyImages

Im Gegensatz zu Manuel Neuer und Joshua Kimmich wird Aleksandar Pavlovic sehr wahrscheinlich nicht als Stammspieler zur EM reisen. Der Youngster verfügt über ein tolles Passspiel und könnte dem Team schon helfen, ist aber wohl eher als Kroos-Ersatz eingeplant. Es ist allerdings auch nicht ganz auszuschließen, dass Pavlovic sogar noch gestrichen wird.

4. Thomas Müller

Matthias Hangst/GettyImages

Thomas Müller wird bei der EM keine Startelfrolle mehr einnehmen. Dies hat Julian Nagelsmann bereits im Rahmen der Nominierungs-PK erwähnt. Müller soll als Joker für Gefahr sorgen und als Vermittler zwischen "den Rappern und Jodlern des Teams" fungieren. Mit seine Erfahrung und Persönlichkeit kann Müller einen positiven Effekt beitragen. Sportlich darf der Routinier ebenfalls nicht unterschätzt werden, jedoch gäbe es mit beispielsweise Julian Brandt auch sehr gute Ersatz-Kandidaten, die nicht berücksichtigt wurden.

5. Leroy Sané

Jean Catuffe/GettyImages

Angesichts seiner Schambein-Problematik gehört Leroy Sané vor der Heim-EM zu den größten Fragezeichen. Ungut ist auch seine Rotsperre, die ohnehin schon dazu geführt hat, dass sich gegen die Niederlande und Frankreich andere Spieler einspielen konnten. Derzeit sieht es so aus, als würde Sané lediglich eine Joker-Rolle übernehmen können. Ist Sané jedoch einigermaßen fit, dürfte er zumindest der wichtigste Joker im Team sein und gewiss auch die Chance haben, sich in die Startelf zu spielen und zu einem Schlüsselspieler zu werden. Noch ist aber unklar, in welchem Zustand der 28-Jährige überhaupt auftaucht.

6. Jamal Musiala

Quality Sport Images/GettyImages

Jamal Musiala kämpft mit einer Sehnenreizung im Knie, wurde aber zumindest in den letzten Spielen geschont, um wieder voll auf die Beine zu kommen. Demnach sollten wir bei der EM einen fitten Musiala zu sehen bekommen. Zwar könnte man jetzt anmerken, dass Deutschland auf der Musiala-Position ohnehin gut besetzt ist, jedoch verkörpert der Youngster schon eine gewisse Extra-Klasse. Neben Florian Wirtz hat Musiala die Chance, zum ganz großen EM-Star im deutschen Team zu werden und das Land zu euphorisieren. Musiala ist der wichtigste aller Bayern-Spieler bei der EM.


Fazit

Die Zeiten sind vorbei, in denen fünf bis sechs Bayern-Stars gesetzt waren und auch ganz klar den Ton auf ihrer Position angeben konnten. Mit Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Jamal Musiala und vielleicht noch Leroy Sané werden auch maximal vier Münchner starten. Hinzu kommt, dass Neuer ohne Qualitätsverlust ersetzt werden könnte und auch Kimmich nicht klar vor Henrichs auf der Rechtsverteidiger-Position angesehen werden kann.

Musiala und Sané besitzen eine individuelle Klasse, die für Deutschland wichtig wird, jedoch gäbe es auch für dieses Duo zumindest gute Ersatzkandidaten. Um wirklich groß denken zu können, wären Sané und vor allem Musiala in Topform aber schon wichtig. Die Zeiten des "FC Bayern Deutschland" sind aber vorbei.


Dieser Artikel wurde ursprünglich auf 90min.com/DE als Kriselnde Münchner - starke Konkurrenz: Braucht Deutschland die Bayern-Stars überhaupt? veröffentlicht.